Festpunkt per GNSS einmessen (Allgemeines)

Zwotwo, Tuesday, 12.11.2019, 00:26 (vor 1838 Tagen)

Hallo zusammen,

ich bin Geowissenschaftler (allerdings kein Geodät) mit rudimentären Vermessungskenntnissen.

Könnte mir jemand erklären welche Methoden es gibt, um in einer entlegenen Region irgendwo auf der Welt ein möglichst genaues Festpunktnetz anzulegen (Genauigkeit etwa 2-3 cm)? Es gibt weder bekannten Festpunkte zum Anschließen noch GNSS Referenzstationen für ein Korrekturnetzwerk.

Ich meine mich dunkel zu erinnern, das wir im Studium einmal eine oder zwei GNSS Basisstationen einen Tag durchlaufen lassen haben, um die Satelliten zu loggen. Daraus wurden dann genauere Positionen gerechnet - allerdings weiß ich nicht mehr, wie genau das Ergebnis war. Ist das eine anerkannte Methode? Gibt es weitere Möglichkeiten? Mir schwebt die ganze Zeit der Begriff 'Differential GNSS' durch den Kopf, aber laut Wiki braucht man dafür einen bekannten Punkt... Ist wohl der falsche Fachbegriff. :(

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Festpunkt per GNSS einmessen

MichaeL ⌂, Bad Vilbel, Tuesday, 12.11.2019, 09:08 (vor 1838 Tagen) @ Zwotwo

Hi,

benötigst Du überhaupt einen absoluten Raumbezug? Reicht nicht unter Umständen ein präzises lokales Koordinatensystem? In Abhängigkeit der Örtlichkeit und der Anwendung kommen neben GNSS auch Messverfahren wie Tachymetrie in Frage.

GNSS ist weltweit verfügbar. Der IGS hat ein weltweites Stationsnetz ggf. gibt es vor Ort auch ein Landesnetz. Das bietet Dir u. U. keinen Dienst wie SAPOS aber zu diesen Stationen könnte man relative Messungen durchführen. Du müsstest dann aber eine Software haben, die das Post-processing übernimmt und hättest Deine Koordinaten nicht in Echtzeit.

Viele Grüße
Micha

--
applied-geodesy.org - OpenSource Least-Squares Adjustment Software for Geodetic Sciences

Festpunkt per GNSS einmessen

Wallraff, Thursday, 19.12.2019, 16:24 (vor 1801 Tagen) @ MichaeL

... also ob ich mich noch einmischen soll ...
bin nicht mehr so nah dran.

Aber sucht er sowas wie
PPP
Wie es genau abläuft weiss ich nicht.
Und einen Referenzpunkt mitbeobachten hat selten geschadet.

Grüße

Festpunkt per GNSS einmessen

Wallraff, Sunday, 05.01.2020, 11:52 (vor 1784 Tagen) @ Wallraff

Hab' mich ein bisschen weggeduckt, meine jetzt aber, hier hat's Einer versucht
GNSS-Positionierung in Namibia
(Die genannte Berneser Software löst glaube u.a. PPP-Aufgaben).
Also sich in die Wüste stellen und einen Knopf drücken, genügt bestimmt nicht ...

Grüße

Festpunkt per GNSS einmessen

hakkensha, Tuesday, 31.12.2019, 14:31 (vor 1789 Tagen) @ Zwotwo

Einige meiner Kunden haben das gemacht für deren DGNSS-Referenzstationen (Binnen- oder küstennahe Schifffahrt).

Meist waren das (eh schon recht gute) GPS/GLONASS-Empfänger, die zumindest auch SBAS konnten. Manche hatten Dual-Frequency-Geräte.
Das wurde dann installiert, eine Woche oder so laufen gelassen und die Position mitgeloggt. Nach diesem Zeitraum wurde von den Punkten der Mittelwert berechnet und als "bekannter Standort" im Gerät hinterlegt (damit dieses dann Korrekturdaten berechnen und über VHF aussenden konnte).

Die Geräte machen das natürlich intern, aber es spricht wohl nichts dagegen das manuell zu machen. Die Billigversion: USB-GNSS-Empfänger mit Mini-Rechner dran hinstellen, NMEA-Daten loggen, danach im Excel oder per Skript mitteln.

Wie genau das Endergebnis dann stimmt weiß ich leider auch nicht, aber für die Baggerarbeiten in den Kanälen hats gereicht ;)

Festpunkt per GNSS einmessen

MatthiasNaumann @, Rostock, Thursday, 16.01.2020, 11:17 (vor 1773 Tagen) @ Zwotwo

Es kam schon die Nachfrage, ob die Referenzpunkte überhaupt in einem übergeordneten Koordinatenreferenzsystem bestimmt werden müssen. Leider fehlte die Antwort. Der Aufbau eines lokalen Netzes könnte über differentielles GNSS (DGPS) und/oder Tachymeter erfolgen.

Wenn die Referenzpunkte übergeordnet ermittelt werden müssen und die Positionen, aus welchen Gründen auch immer, nur mit GNSS-Messungen bestimmt werden sollen, könnte man in Regionen ohne Infrastruktur (GNSS-Permanent-Referenzstationen für Übertragung von Echtzeit-GNSS-Korrekturen) andere Techniken anwenden:

1)GNSS-PPP (zur globalen Lagerung)
Relativ neue GNSS-Auswertetechnik (Precise Point Positioning) bei der verschiedene GNSS-Fehlereinflüsse getrennt modelliert und nicht wie beim klassischen DGPS/RTK als Fehlersumme korrigiert werden. Ein zum Loggen von GNSS-Rohbeobachtungen (gnss raw data) geeigneter, so genannter geodätischer GNSS-Empfänger wird benötigt. Er muss auf jedem der zu bestimmenden Punkte längere Zeit Rohbeobachtungen sammeln. Für die geforderten hohen Genauigkeiten (wenige Zentimeter) wird die Beobachtungszeit relativ lang sein: siehe AVN-Artikel "Berechnungsdienste für Precise Point Positioning (PPP)" Giese et al., https://tu-dresden.de/bu/umwelt/geo/gi/gg/ressourcen/dateien/veroeffentlichungen/PPP_AVN_03_2011.pdf.

Die Beobachtungszeit hängt von verschiedenen Faktoren ab: Distanzen zu frei verfügbaren Referenzstationen des IGS (je weiter, desto längere Dauer), Ionosphärenaktivität, Empfangsumgebung am Standort des eigenen GNSS-Empfängers.
Geodätischer Empfänger bedeutet, dass auch die Trägerphasen und nicht nur die zivilen Code-Signale auf mind. zwei Trägerfrequenzen (bei GPS: L1, L2 und L5) verarbeitet werden. Wenn dieser GNSS-Empfänger auch GLONASS-Trägersignale loggen kann, um so besser! Für die Berechnung benötigt man keine eigene Software, es gibt Webprocessingservices (siehe Artikel). Ich kann den kanadischen PPP-Dienst empfehlen CSRS-PPP.
Wenn man nur den einen geodätischen Empfänger besitzt, dann dürfte klar sein, dass die Bestimmung einer Vielzahl von Punkten viel Zeit (Tage!) beansprucht.

2) PPP und relatives GNSS
Hat man mehrere GNSS-Empfänger zur Verfügung, kann man eine Kombination von PPP und relativer GNSS-Auswertung (Basislinienberechnung) durchführen. (Achtung: Ich schließe aus, dass die Empfänger zur Laufzeit miteinander kommunizeren oder im Base-Rover-Modus betrieben werden können. Wenn diese als Base-Rover miteinander kommunizieren könnten, wäre vieles leichter und schneller möglich, da dann in Echtzeit ein differentielles GNSS als sogenanntes RTK-GNSS möglich ist.) Damit bleibt nur die nachträgliche Auswertung der Basislinien zwischen den zu bestimmenden Punkten. Dazu benötigt man zur Auswertung allerdings auch eine Software zur relativen GNSS-Auswertung (es gibt auch freie Software, z.B. RTKlib). Diese Auswertung ist eine klassische GNSS-Basislinienberechnung bei der der 3D-Vektor dx,dy,dz zwischen beiden GNSS-Punkten ermittelt wird.
Nehmen wir an es ständen 2 geodät. Empfänger zur Verfügung. Stufe 1: Beide könnten zeitgleich auf zwei Punkten, die für PPP-Auswertungen benötigten langen GNSS-Beobachtungen loggen. Mit einem Online PPP-Dienst kann man beide Positionen global berechnen. Außerdem kann man diese Messungen auch mit der zur Verfügung stehenden Software zur Basislinien-Berechnung auswerten. Damit ist der Vergleich der Ergebnisse in der Art möglich, dass man aus den PPP-berechneten Positionen auch die Koordinatenkomponenten bildet und mit der eigenen Basislinienberechnung vergleicht. Damit hätte man keinen Verlass, aber einen Indiz darauf, ob die Beobachtungszeit genügt. Stufe 2: Die anderen Punkte werden nur noch relativ ausgewertet (Basislinien berechnet). Dabei genügen wesentlich kürzere zeitgleiche Beobachtungszeiten. Stufe 3: Aufbau eines tatsächlichen Netzes mit redundanter Bestimmung ermöglicht eine Ausgleichung und die gemeinsame Ermittlung aller Positionen.

Natürlich könnten die Positionen der anderen Punkte auch per Tachymeter ausgehend von den beiden PPP-bestimmten Punkten erfolgen, wenn die Punkte auch wirkliches Netz bilden (im Sinne von Sichtverbindungen zwischen Netzpunkten).

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