Vermessungsprogramme (Allgemeines)

Christian, Monday, 02.12.2024, 10:05 (vor 19 Tagen)

Hallo zusammen,

ich bin über Google auf dieses Forum gestoßen und freue mich, hier Rat zu finden, da ich aktuell vor einer schwierigen Entscheidung stehe.

Ich muss mich zwischen zwei Photogrammetrie-Programmen entscheiden, die unterschiedliche Ansätze verfolgen:

1. UAS Master:
Diese Software berücksichtigt bei der Einrichtung eines Koordinatensystems Aspekte wie Erdkrümmung, Refraktion und Höhenreduktion.


2. elcovision:
Hier erfolgt die Berechnung zunächst im Pixelkoordinatensystem. Anschließend kann eine Ähnlichkeitstransformation mit sieben Parametern angewendet werden, um die Daten beispielsweise in ein UTM-Koordinatensystem zu überführen und eine globale Orientierung zu ermöglichen. Allerdings bietet diese Software keine Korrekturen für Erdkrümmung, Refraktion oder ähnliche Effekte.

Aus der Perspektive eines Vermessers neige ich zu UAS Master, da hier die genannten Korrekturen integriert sind. Allerdings hat elcovision andere Vorteile, auch wenn die Einstellungsmöglichkeiten für Bezugssysteme begrenzt sind.

Meine Frage ist nun:

Ist der Ansatz mit der Ähnlichkeitstransformation aus vermessungstechnischer Sicht problematisch?

Können Korrekturen wie Erdkrümmung, Refraktion und Höhenreduktion in der Praxis vernachlässigt werden, oder sollte darauf Wert gelegt werden?

Ich habe auch mal beide Programme verglichen bei der Berechnung und für die Parameter der inneren Orientierung kommen sehr unterschiedliche Werte raus, vor allem für den Bildhauptpunkt. Da ist es schwierig sich zu entscheiden weil man nicht weiß wer richtig rechnet 😝.


Vielen Dank im Vorraus!

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MichaeL ⌂, Bad Vilbel, Monday, 02.12.2024, 12:55 (vor 19 Tagen) @ Christian

Hallo,

Können Korrekturen wie Erdkrümmung, Refraktion und Höhenreduktion in der Praxis vernachlässigt werden, oder sollte darauf Wert gelegt werden?

Ich denke, dass hängt von Deiner Aufgabe an. Wir nutzen bspw. die Photogrammetrie nur in industriellen Bereichen und da haben nutzen wir objektspezifische Koordinatensysteme, sodass uns bspw. die Erdkrümmung nicht tangiert.

Ich habe auch mal beide Programme verglichen bei der Berechnung und für die Parameter der inneren Orientierung kommen sehr unterschiedliche Werte raus, vor allem für den Bildhauptpunkt. Da ist es schwierig sich zu entscheiden weil man nicht weiß wer richtig rechnet 😝.

Wir nutzen AICON für die Bildmessungen und Bündelblockausgleichung sowie eine eigene Ausgleichung zur Bestimmung der Kovarianzmatrix zur Charakterisierung der Unsicherheiten bzw. allg. der Dispersion.

Dass sich Ergebnisse zwischen den Programmen unterscheiden liegt mitunter auch an unterschiedlichen Modellansätzen und ist damit weniger eine Frage nach richtig oder falsch. Deine Hauptanwendung - soweit ich Dich verstanden habe - liegt doch auch weniger in der Bewertung der inneren Orientierung. Insofern würde ich doch eher die Objektpunktkoordinaten vergleichen. Die scheinen doch für Dich primär von Interesse zu sein, oder?

Ist der Ansatz mit der Ähnlichkeitstransformation aus vermessungstechnischer Sicht problematisch?

Unter Umständen ja, da hier möglicherweise Parameter bestimmt werden, die bei einer reinen Erdkrümmungskorrektur nicht vorkommen.

Viele Grüße
Micha

--
applied-geodesy.org - OpenSource Least-Squares Adjustment Software for Geodetic Sciences

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Christian, Tuesday, 03.12.2024, 16:55 (vor 18 Tagen) @ MichaeL

Hallo,

Können Korrekturen wie Erdkrümmung, Refraktion und Höhenreduktion in der Praxis vernachlässigt werden, oder sollte darauf Wert gelegt werden?


Ich denke, dass hängt von Deiner Aufgabe an. Wir nutzen bspw. die Photogrammetrie nur in industriellen Bereichen und da haben nutzen wir objektspezifische Koordinatensysteme, sodass uns bspw. die Erdkrümmung nicht tangiert.

Also wir machen Drohnenbefliegungen und messen im Nahbereich mit Vollformatkameras und Weitwinkelobjektiven. In den meisten Programmen sind aber leider keine vom Öffnungswinkel abhängigen Verzeichnungskoeffizienten integriert um auch bei Weitwinkel/Fisheye Objektiven die Verzeichnung ausreichend modellieren zu können. Das hat bisher nur Elcovision hinbekommen.

Ich habe auch mal beide Programme verglichen bei der Berechnung und für die Parameter der inneren Orientierung kommen sehr unterschiedliche Werte raus, vor allem für den Bildhauptpunkt. Da ist es schwierig sich zu entscheiden weil man nicht weiß wer richtig rechnet 😝.


Wir nutzen AICON für die Bildmessungen und Bündelblockausgleichung sowie eine eigene Ausgleichung zur Bestimmung der Kovarianzmatrix zur Charakterisierung der Unsicherheiten bzw. allg. der Dispersion.

Das klingt Interessant. Gibt Aicon diese Werte nicht bereits aus? Hast du in deine Ausgleichung auch mal mit natürlichen Punkten herumgetestet? Da gibt es ja einige Bibliotheken von OpenCV mit Algorithmen wie SIFT und SURF.

Dass sich Ergebnisse zwischen den Programmen unterscheiden liegt mitunter auch an unterschiedlichen Modellansätzen und ist damit weniger eine Frage nach richtig oder falsch. Deine Hauptanwendung - soweit ich Dich verstanden habe - liegt doch auch weniger in der Bewertung der inneren Orientierung. Insofern würde ich doch eher die Objektpunktkoordinaten vergleichen. Die scheinen doch für Dich primär von Interesse zu sein, oder?

Das ist richtig, aber diese korrellieren m.E. doch schon sehr stark mit den Parametern der inneren Orientierung. Wenn diese nicht ausriechend modelliert werden kann, wirken sich die Residuen systematisch in Form der Verzeichnung auf die Objektkoordinaten aus und ich erhalte dann Deformationen am Objekt die nicht da sind.

Ist der Ansatz mit der Ähnlichkeitstransformation aus vermessungstechnischer Sicht problematisch?


Unter Umständen ja, da hier möglicherweise Parameter bestimmt werden, die bei einer reinen Erdkrümmungskorrektur nicht vorkommen.

Ich muss hier nochmal etwas zur Funktion erklären:

1. Berechnung: Orientierung des Bildverbands im Pixelkoordinatensystem und Vorkalibrierung

2. Berechnung: wahlweise Ähnlichkeitstransformation auf Passpunkte am Boden oder auf die RTK-Koordinate der Drohne

3. Berechnung: Globale (Absolute) Orientierung und "Feinkalibrierung".

Mich wundert es etwas das man nicht alle Daten zusammen aus 2. in eine Ausgleichung werfen kann um dann eine Gesamtausgleichung zu berechnen. Ich würde auch gerne Passpunkte UND RTK-Positionen nutzen um dann mit a priori Werten die Ausgleichung iterativ durchzuführen. Ich bin kein Experte was Ausgleichungsrechnung betrifft, daher würde es mich interessieren ob ich durch den Prozess wie ich ihn beschrieben habe mit der Software einen Nachteil habe?

VG
Christian

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MichaeL ⌂, Bad Vilbel, Wednesday, 04.12.2024, 11:04 (vor 17 Tagen) @ Christian

Hallo Christian,

Das klingt Interessant. Gibt Aicon diese Werte nicht bereits aus? Hast du in deine Ausgleichung auch mal mit natürlichen Punkten herumgetestet? Da gibt es ja einige Bibliotheken von OpenCV mit Algorithmen wie SIFT und SURF.

AICON (wie auch die meisten anderen Softwarepakete) liefern maximal die Standardabweichung der Punkte. Die vollbesetzte Varianz-Kovarianz-Matrix steht nicht zur Verfügung. Zur Beurteilung der Präzision eines Objektpunktes mag das ausreichen aber bei der Weiterverarbeitung der Punkte reicht uns das nicht. Wir nutzen somit die Software für alle Analyseschritte (Bildmessung, Näherungswerte, Aureissertest usw.) und wiederholen dann die finale Ausgleichung, um auch die Dispersion zu bestimmen. Da AICON nur mit signalisierten Punkten arbeiten, ergibt sich für uns kein Bedarf für die Verwendung von natürlichen Punkten - wie gesagt, die Bildmessungen sind Teil der Voranalyse in AICON.

Dass sich Ergebnisse zwischen den Programmen unterscheiden liegt mitunter auch an unterschiedlichen Modellansätzen und ist damit weniger eine Frage nach richtig oder falsch. Deine Hauptanwendung - soweit ich Dich verstanden habe - liegt doch auch weniger in der Bewertung der inneren Orientierung. Insofern würde ich doch eher die Objektpunktkoordinaten vergleichen. Die scheinen doch für Dich primär von Interesse zu sein, oder?


Das ist richtig, aber diese korrellieren m.E. doch schon sehr stark mit den Parametern der inneren Orientierung. Wenn diese nicht ausriechend modelliert werden kann, wirken sich die Residuen systematisch in Form der Verzeichnung auf die Objektkoordinaten aus und ich erhalte dann Deformationen am Objekt die nicht da sind.

Ich persönlich fände es dennoch herausfordernd von den Parametern der inneren Orientierung und dessen Korrelationen zu den übrigen Parametern auf die resultierende Änderung der Objektpunktkoordinate zu schließen. Zumal Du vermutlich diese Korrelation nicht einmal quantifizieren kannst, weil Dir die o.g. vollbesetzte Varianz-Kovarianz-Matrix fehlt. Das erscheint mir sehr subjektiv, während der direkte Vergleich der Objektpunkte doch vergleichsweise einfach ist. Abweichungen die hier nun auftreten, könnten natürlich ihre Ursache in der inneren Orientierung haben, aber wenn dies nur bspw. 1/100 mm wäre, könntest Du damit sicher problemlos leben, oder?

daher würde es mich interessieren ob ich durch den Prozess wie ich ihn beschrieben habe mit der Software einen Nachteil habe?

Wie gesagt, möglicherweise. Wenn eine affine Transformation verwendet wird, werden neben unterschiedlichen Maßstäben in den Koordinatenkomponenten u.U. auch Scherungen berücksichtigt. Aus einem Würfel wird dann ggf. ein Parallelepiped.

Viele Grüße
Micha

--
applied-geodesy.org - OpenSource Least-Squares Adjustment Software for Geodetic Sciences

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