Analoge nivellier Geräte (Instrumente)

Elyas, Görlitz, Sunday, 19.10.2025, 15:38 (vor 2 Tagen)

Hallo, ich weiß nicht ob ich hier richtig bin aber ich mache meine Ausbildung und wir hatten bei meinem Ausbildungsbetrieb eine Übung zum nivellieren, mit einem analogen nivellier.

Wenn man da durch durchschaut, gibt es drei Striche. Wozu sind diese da?

Und was ich auch nicht verstehe ist, wenn man an der Latte Werte abliest dann sind diese ja immer nur auf Zentimeter an der Latte angegeben. Ist man dann bei einem Ablesefehler nicht gleich mehrere Millimeter falsch, wenn man sich mehrmals aufstellt und eine gewisse Strecke nivelliert?

Ein Mitarbeiter von dem Ausbildungsbetrieb meinte, dass das Gerät einen Fehler von 0,7 mm auf 1 km hat. Aber wenn ich dann einmal 1 mm falsch lese und das mir mehrmals passiert, dann habe ich doch da gleich mehrere Zentimeter Fehler drin oder? Weil es ist ja immer nur geschätzt mit den Millimeter. Sogar wenn mir das im Sub Millimeter Bereich passieren mehrmals passieren würde, wäre ich doch auch gleich ein paar Millimeter oder Zentimeter falsch nach einer gewissen Strecke oder?

Gibt es eigentlich auch nivellierlatten mit Millimeter Markierungen? Das wäre doch viel einfacher.

Kann man eigentlich so ein Analoges Gerät auch umbauen zu einem digitalen?

Ich weiß, das sind viele Fragen aber ich habe auch nicht wirklich eine Antwort gefunden, als ich gegoogelt habe.

Der Mitarbeiter hat einfach das nur so erklärt, dass sich das irgendwie ausgleicht.

Vielen Dank

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Analoge nivellier Geräte

MichaeL ⌂, Bad Vilbel, Sunday, 19.10.2025, 17:19 (vor 2 Tagen) @ Elyas

Hallo Elyas,

Wenn man da durch durchschaut, gibt es drei Striche. Wozu sind diese da?

Es handelt sich - vermutlich - um die Reichenbachschen Distanzfäden, die Du nutzen kannst, um die Entfernung zwischen Instrument und Latte abzuschätzen.

Und was ich auch nicht verstehe ist, wenn man an der Latte Werte abliest dann sind diese ja immer nur auf Zentimeter an der Latte angegeben. Ist man dann bei einem Ablesefehler nicht gleich mehrere Millimeter falsch, wenn man sich mehrmals aufstellt und eine gewisse Strecke nivelliert?

Man kann i.A. das Intervall weiter eingrenzen. Auf einen normalen Lineal mit Millimeterteilung ist man auch in der Lage den 0,5 mm noch abzuschätzen.

Ein Mitarbeiter von dem Ausbildungsbetrieb meinte, dass das Gerät einen Fehler von 0,7 mm auf 1 km hat.

Diese Angabe bezeichnet nicht den Fehler sondern die Standardabweichung auf einem Kilometer Doppelnivellement.

Aber wenn ich dann einmal 1 mm falsch lese und das mir mehrmals passiert, dann habe ich doch da gleich mehrere Zentimeter Fehler drin oder?

Wenn man davon ausgeht, dass Du beim Ablesen zufällig mal etwas zu viel aber auch mal etwas zu wenig abliest, dann summieren sich diese Abweichungen nicht einfach, sondern kompensieren sich teilweise auch wieder. Solange der Betrag und das Vorzeichen Deiner Ableseabweichungen unvorhersehbar variiert also zufällig ist, wird für die Genauigkeitsabschätzung das Varianz-Kovarianz-Fortpflanzungsgesetz (früher auch Fehlerfortpflanzungsgesetz) verwendet.

Gibt es eigentlich auch nivellierlatten mit Millimeter Markierungen? Das wäre doch viel einfacher.

Ja, die meisten Teleskoplatten haben bspw. Millimeterteilung auf einer Seite. Da die Zielweiten i.A. 20 - 30 m betragen, bringt einem die Einteilung nicht viel, da man sie schlicht nicht erkennt.

Kann man eigentlich so ein Analoges Gerät auch umbauen zu einem digitalen?

Theoretisch sicher. Man benötigt letztlich doch nur etwas, dass das Lattenbild automatisch abliest und somit das Auge des Beobachters ersetzt. Digitale Nivelliere nutzen jedoch eine codierte Latte mit einem speziellen Strichcode, sodass sie für analoge Anwendungen ungeeignet sind.

Viele Grüße
Micha

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Analoge nivellier Geräte

Elyas, Görlitz, Sunday, 19.10.2025, 19:16 (vor 2 Tagen) @ MichaeL

Hallo

Danke für deine ausführliche Erklärung.

Ich glaube für die Distanzberechnung hab ich sogar eine Formel in meiner Formelsammlung.

Also wenn die Fehler dann zufällig sind, wie kann ich dann kontrollieren wie genau meine Punkte sind, die ich gemessen habe?

Im Normalfall wird ja ein Abschluss Delia berechnet zwischen zwei Fest Punkten und dann werden die Fehler auf die Punkte je nach Distanz verteilt. Die Formel ist dann: (Abschluss Fehler x messdistanz) / gesamtdistanz.

Muss man auch die Temperatur irgendwie beachten bei der Ablesung? Ich habe gelesen, dass sich die Latten auch verziehen oder ausdehnen.

Was sind denn die neusten Latten, die man verwenden kann?

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Analoge nivellier Geräte

MichaeL ⌂, Bad Vilbel, Monday, 20.10.2025, 17:08 (vor 1 Tag, 5 Stunden, 36 Min.) @ Elyas

Hallo Elyas

Also wenn die Fehler dann zufällig sind, wie kann ich dann kontrollieren wie genau meine Punkte sind, die ich gemessen habe?

Da es sich beim Zufall offensichtlich nicht um einen Fehler handelt der vermeidbar wäre, spricht man eher von einer zufälligen Abweichung. Der Begriff Fehler bleibt somit einer vermeidbaren Abweichung vorbehalten bspw. ein Zahlendreher bei Aufschreiben.

Wenn Du die Genauigkeit eines Punktes im Netz abschätzen willst, bietet sich eine Netzausgleichung an, bei der alle Messungen verwendet werden, um die unbekannten Höhen zu bestimmen. Dies ist der Standardweg, um Aussagen zur erreichten Genauigkeit zu bekommen. Durch überlappende Messkonfigurationen - ein Punkt ist bspw. in verschiedenen Schleifen oder Linien enthalten - werden Widersprüche in den Messungen aufdeckbar, sodass man nach der Analyse des Netzes auch entscheiden kann, ob Nachmessungen nötig sind und wo diese sinnvollerweise stattfinden sollten.

Im Normalfall wird ja ein Abschluss Delia berechnet zwischen zwei Fest Punkten und dann werden die Fehler auf die Punkte je nach Distanz verteilt. Die Formel ist dann: (Abschluss Fehler x messdistanz) / gesamtdistanz.

Dies ist eine sehr rudimentäre Abschätzung und berücksichtigt nur die Linie zwischen den beiden Festpunkten. Diesen Ansatz kannst Du also nicht verwenden, wenn mehrere partiell überlappende Schleifen oder Linien existieren.

Muss man auch die Temperatur irgendwie beachten bei der Ablesung? Ich habe gelesen, dass sich die Latten auch verziehen oder ausdehnen.

Wenn es sich um ein Präzisionsnivellement handelt, ist die Temperatur eine limitierende Größe für die erreichbare Genauigkeit. Aus diesem Grund nutzt man Invar-Latten. Invar hat einen sehr kleinen Ausdehnungskoeffizienten von etwas 1E-6. Bei einer Temperaturänderung von 10 °C und einer 2 m Latte würde die Längenänderung demnach gerade mal 20 µm betragen - zum Vergleich, der Durchmesser des menschlichen Haares beträgt ca. 60-80 µm.

Viele Grüße
Micha

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Analoge nivellier Geräte

Elyas, Görlitz, Tuesday, 21.10.2025, 19:17 (vor 3 Stunden, 26 Minuten) @ MichaeL

Hallo Elyas

Also wenn die Fehler dann zufällig sind, wie kann ich dann kontrollieren wie genau meine Punkte sind, die ich gemessen habe?


Da es sich beim Zufall offensichtlich nicht um einen Fehler handelt der vermeidbar wäre, spricht man eher von einer zufälligen Abweichung. Der Begriff Fehler bleibt somit einer vermeidbaren Abweichung vorbehalten bspw. ein Zahlendreher bei Aufschreiben.

Wenn Du die Genauigkeit eines Punktes im Netz abschätzen willst, bietet sich eine Netzausgleichung an, bei der alle Messungen verwendet werden, um die unbekannten Höhen zu bestimmen. Dies ist der Standardweg, um Aussagen zur erreichten Genauigkeit zu bekommen. Durch überlappende Messkonfigurationen - ein Punkt ist bspw. in verschiedenen Schleifen oder Linien enthalten - werden Widersprüche in den Messungen aufdeckbar, sodass man nach der Analyse des Netzes auch entscheiden kann, ob Nachmessungen nötig sind und wo diese sinnvollerweise stattfinden sollten.

Im Normalfall wird ja ein Abschluss Delia berechnet zwischen zwei Fest Punkten und dann werden die Fehler auf die Punkte je nach Distanz verteilt. Die Formel ist dann: (Abschluss Fehler x messdistanz) / gesamtdistanz.


Dies ist eine sehr rudimentäre Abschätzung und berücksichtigt nur die Linie zwischen den beiden Festpunkten. Diesen Ansatz kannst Du also nicht verwenden, wenn mehrere partiell überlappende Schleifen oder Linien existieren.

Muss man auch die Temperatur irgendwie beachten bei der Ablesung? Ich habe gelesen, dass sich die Latten auch verziehen oder ausdehnen.


Wenn es sich um ein Präzisionsnivellement handelt, ist die Temperatur eine limitierende Größe für die erreichbare Genauigkeit. Aus diesem Grund nutzt man Invar-Latten. Invar hat einen sehr kleinen Ausdehnungskoeffizienten von etwas 1E-6. Bei einer Temperaturänderung von 10 °C und einer 2 m Latte würde die Längenänderung demnach gerade mal 20 µm betragen - zum Vergleich, der Durchmesser des menschlichen Haares beträgt ca. 60-80 µm.

Viele Grüße
Micha

Hallo Michael,

vielen Dank für die Informationen.

Wenn ich zum Beispiel von einem Festpunkt als Höhenanschluss um ein Gebäude herum nivelliere und in der nähe der Gebäudeecken Neupunkte bestimme als Zwischenblick oder Wechselpunkt und dann wieder an dem selben Festppunkt abschließe sind die Punkte ja alle nur einmal bestimmt und man erhält einen Abschlussfehler.

Macht es dann sinn Die Messung 1 zu 1 noch 2 mal zu wiederholen (nochmal zwei schleifen) und dann alle wechsel und neuen punkte nochmal genau gleich zu bestimmen wie in der ersten messung?

Dann hätte man 3 unabhängige schleifen gemessen und jeden Punkt 3 mal bestimmt.

Das könnte man dann ausgleichen oder?

Ist natürlich schon etwas viel aufwand dann um zuverlässig sagen zu können wire genau die Neupunkte sind. Reihenfolge wäre dann Rückblick-Vorblick-Rückblick-Vorblick.

Ich denke das ist die genauste Methode.

Grüße
Elyas

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Analoge nivellier Geräte

MichaeL ⌂, Bad Vilbel, Tuesday, 21.10.2025, 21:40 (vor 1 Stunden, 4 Minuten) @ Elyas

Hallo Elyas ,

Wenn ich zum Beispiel von einem Festpunkt als Höhenanschluss um ein Gebäude herum nivelliere und in der nähe der Gebäudeecken Neupunkte bestimme als Zwischenblick oder Wechselpunkt und dann wieder an dem selben Festpunkt abschließe sind die Punkte ja alle nur einmal bestimmt und man erhält einen Abschlussfehler.

Ja, diese Abweichung am Zugende kannst Du in diesem Fall natürlich verteilen, wie Du es bereits geschrieben hast. Du kannst die Genauigkeit - in diesem Fall mit gewissen Einschränkungen - abschätzen, indem Du Varianzfortpflanzung machst.

Nehmen wir an, dass Du einen Höhenunterschied $\Delta h$ - berechnet aus einem Vor- und Rückblick bzw. einer Aufstellung - mit einer Standardabweichung von $\sigma_{\Delta h} = 1 mm$ bestimmen kannst. Nehmen wir weiter an, dass Du diese Standardabweichung immer erreichst bei jeder Aufstellung. Wenn Du von Deinem Festpunkt $H_F$ aus $n$ Aufstellungen benötigt hast, dann lautet die Höhe $H_N$ des Neupunktes doch

$H_N = H_F + \sum_i^n \Delta h_i$

die zugehörige Standardabweichung ist dann

$\sigma_{H_N} = \sqrt{\sum_i^n \sigma^2_{\Delta h}} = \sqrt{n \cdot \sigma^2_{\Delta h}} = \sqrt{n} \cdot \sigma_{\Delta h}$

Diese Abschätzung geht jedoch davon aus, dass der Zug nicht an einem bekannten Punkt endet und ist insofern wirklich nur eine grobe Abschätzung in Deinem Fall! Durch Deinen Abschluss an einem bekannten Punkt und den damit verbundenen Widerspruch, liegt bereits ein Ausgleichungsproblem vor. Du hast also mehr Messungen registriert als für eine eindeutige Lösung notwendig wäre. Nehmen wir an, Du hast eine Linie mit den Festpunkten $H_A$ und $H_E$ am Anfang und Ende, sowie drei Neupunkte $H_1$, $H_2$, $H_3$. Gemessen hast Du $\Delta h_{A,1}$, $\Delta h_{1,2}$, $\Delta h_{2,3}$ und $\Delta h_{3,E}$. Du könntest demnach $H_1$ direkt bestimmen mit dem Höhenunterschied von $H_A$, d.h. $H_1 = H_A + \Delta h_{A,1}$. Du könnest aber auch von $H_E$ aus starten mit der Berechnung, d.h. $H_1 = H_E - \Delta h_{3,E} - \Delta h_{2,3} - \Delta h_{1,2}$. Beide Werte werden i.A. differieren. Dies gilt auch für die Standardabweichung, wie man leicht nachvollziehen kann. Insofern ist der o.g. Ansatz eher als Überschlagsrechnung zu verstehen, wenn Du schnell im Feld etwas abschätzen willst. Für den genaueren Wert ist der Weg über die Ausgleichung hier notwendig.

Macht es dann sinn Die Messung 1 zu 1 noch 2 mal zu wiederholen (nochmal zwei schleifen) und dann alle wechsel und neuen punkte nochmal genau gleich zu bestimmen wie in der ersten messung?

Dies hängt in erster Linie wohl davon ab, was mit dem Nivellement bezweckt werden soll. Für einfache Aufgaben mit untergeordneten Genauigkeitsanforderungen wird man den Aufwand wohl eher scheuen. Bei Präzisionsnivellements ist es üblich, wenn man die Linie im Hin- und Rückweg misst, daher der Name Doppelnivellement - und auch die Angabe des Herstellers, die sich i.A. auf 1 km Doppelnivellement bezieht und nicht auf eine einfachgemessene Linie.

Dann hätte man 3 unabhängige schleifen gemessen und jeden Punkt 3 mal bestimmt.

Wie Du meinem Beispiel oben schon entnehmen konntest, ist nach der ersten Schleife schon ein überbestimmtes Gleichungssystem entstanden. Nach zwei Schleifen könntest Du u.U. bereit eine Fehlmessung lokalisieren.

Das könnte man dann ausgleichen oder?

Ja.

Ist natürlich schon etwas viel aufwand dann um zuverlässig sagen zu können wire genau die Neupunkte sind.

Nivellieren ist eine einfach erscheinende Aufgabe aber sehr zeitintensiv. Mit jeder Aufstellung wird gerade einmal ein Höhenunterschied von vielleicht 30 m oder 40 m gemessen und übertragen. Im Vergleich zum Tachymeter, das mit einer Aufstellung zig Punkte erfasst, ist dies natürlich extrem wenig.

Reihenfolge wäre dann Rückblick-Vorblick-Rückblick-Vorblick.
Ich denke das ist die genauste Methode.

Eine zuverlässigere Methode ist das (alternierende) Rück-Vor-Vor-Rück. Dieses Verfahren ermöglicht es, Änderungen bei einer Aufstellung - bspw. das Einsinken einer Latte - zu detektieren, sodass die Aufstellung direkt wiederholt werden kann. Durch das Alternieren wird zusätzlich die Horizontschräge kompensiert, vgl. das Rote Hose Verfahren.

Viele Grüße
Micha

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